Es ist verdammt hart, Politikerin zu sein. Der Trend geht anscheinend wieder zu Männern in Spitzenpositionen. Ein Beitrag aus der Zeitschrift „Quart“.
Das Jahr 2020 steht schon jetzt im Zeichen des Coronavirus. Womit wird es noch in die Geschichte eingehen? Wird es das Jahr einer neuen großen Fluchtbewegung nach Europa? Wird es das Jahr der Abwahl oder der Wiederwahl von Donald Trump? Wird am Ende dieses Jahres ein tragfähiger Vertrag die Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien nach dem Brexit regeln? Erleben wir in diesem Jahr weitere Aktionen pro oder kontra Papst Franziskus oder wider Erwarten neue Aufbruchstimmung in der römisch-katholischen Kirche? Wird es das Jahr, in dem ein entscheidender Schritt in der Klimapolitik gelingt?
Ein Trend dürfte sich 2020 allem Anschein nach verstärken: die Renaissance von Männerdominanz in politischen Führungsfunktionen. Im Vorjahr, als Ursula von der Leyen an die Spitze der EU-Kommission berufen wurde, sah es noch anders aus. Gleichzeitig musste freilich in Großbritannien die glücklose Theresa May dem Populisten Boris Johnson weichen. In den USA, wo 2016 Hillary Clinton die meisten Stimmen auf sich vereinte, aber aufgrund des Wahlsystems Donald Trump unterlag, hatten heuer Frauen schon bei den Vorwahlen keine Chance.
In Deutschland spürten die Vorsitzenden der großen Parteien zunehmend Gegenwind und zogen Konsequenzen. Andrea Nahles dankte als SPD-Chefin ab, was ihrer Partei nach einem langwierigen Wahlkampf eine wenig populäre Doppelspitze bescherte. Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer holte sich zwar auf einem Parteitag noch einmal ein Vertrauensvotum, kündigte aber ihren Rücktritt an, als sie einsah, dass große Teile der CDU nicht wirklich hinter ihr stehen. Um ihre Nachfolge rittern nur Männer. Ob die Kanzlerschaft von Angela Merkel erst 2021 planmäßig oder früher vorzeitig endet, bleibt abzuwarten.
Es ist offenbar verdammt hart, als Politikerin einen Spitzenjob zu erlangen und sich dann darin über einen längeren Zeitraum zu behaupten. Auch die „eiserne Lady“ Margaret Thatcher, die über ein Jahrzehnt Großbritannien regierte, wurde schließlich von Parteikollegen gestürzt. Dass auch Österreich von einer Frau regiert werden kann, hat Brigitte Bierlein, die freilich ernannt und nicht gewählt wurde, für ein halbes Jahr bewiesen.
Man mag es als bedeutendes Signal feiern, wenn die neue türkis-grüne Regierung mehr Frauen als Männer aufweist, doch die wichtigsten Ämter bleiben in Männerhand. In nächster Zeit ist weder mit einer Bundes- oder Vizekanzlerin noch mit einer weiteren Landeshauptfrau – neben Johanna Mikl-Leitner – zu rechnen.
Bei der größten Oppositionspartei, der SPÖ, hatte die Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner bisher nicht den Rückhalt, um den sie zuletzt bei der Parteibasis warb. Offenbar wollen viele in der Partei nicht mit ihr, sondern mit einem Mann an der Spitze in die nächste Nationalratswahl gehen. Wahrscheinlich hat sie nicht mehr Fehler begangen als andere Politiker, sowohl weibliche als auch männliche. Das wahre Problem von Politikerinnen sind wohl nicht nur Anfeindungen durch Macho-Typen in der eigenen Partei, sondern es zeigt sich dann, wenn sie glauben, besonders entschlossen und kämpferisch, also „männlich“, auftreten zu müssen und so viel an Authentizität und Sympathie beim Wahlvolk verlieren.