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Eine „Powerfrau“ des 18. Jahrhunderts

Eine „Powerfrau“ des 18. Jahrhunderts

300 Jahre Maria Theresia – in Österreich erinnern dieses Jahr mehrere Ausstellungen an die große Monarchin aus dem Haus Habsburg.

VON HEINER BOBERSKI

Maria Theresia kam am 13. Mai 1717 zur Welt. Dass sie ab 1740 die habsburgischen Lande regieren konnte, verdankte sie der bereits 1713 von ihrem Vater, Kaiser Karl VI., publizierten sogenannten Pragmatischen Sanktion, die den Zusammenhalt der habsburgischen Gebiete sichern sollte und für den Fall des Fehlens eines männlichen Nachkommen einer Erzherzogin die Herrschaft ermöglichte. Dass sich Maria Theresia in dieser Rolle bewähren konnte, weist sie als echte „Powerfrau“ des 18. Jahrhunderts aus.
Auf dieses Jahrhundert bezogen schreibt der Historiker Pieter M. Judson in seinem neuen Werk „Habsburg – Geschichte eines Imperiums 1740-1918“: „Die Habsburger waren Herrscher über Territorien, die sich in heutiger Zeit auf zwölf verschiedene Staaten verteilen.“ Eines dieser Länder ist Luxemburg, das damals ein Herzogtum war. Nach dem Frieden von Utrecht, der 1714 den Spanischen Erbfolgekrieg beendete, umfasste es einen Teil der habsburgischen Niederlande, ehe es als Folge der Französischen Revolution 1794/95 von den Franzosen annektiert wurde. 1815 machte dann der Wiener Kongress Luxemburg, das später einen großen Teil seines Territoriums an Belgien verlor, zu einem selbständigen Großherzogtum.
In Österreich wird des 300. Geburtstages von Maria Theresia mehrfach gedacht, in Wiens Straßen und Bahnhöfen begegnet man ständig Plakaten mit Bildern von ihr, die auf diverse Ausstellungen hinweisen. Im Fernsehen beleuchtete ein „Universum History“-Film mit der Schauspielerin Gerti Drassl in der Hauptrolle das Leben der Monarchin. Deren Regierungsantritt gestaltete sich alles andere als leicht. Wie dramatisch die Situation war, nachdem Karl VI. am 20. Oktober 1740 nach kurzer Krankheit im Alter von 55 Jahren gestorben war, schreibt Barbara Stollberg-Rilinger, Historikerin an der Universität Münster, in ihrer neuen empfehlenswerten Biographie „Maria Theresia“ (C.H. Beck Verlag): „Noch lag der Leib des toten Kaisers prunkvoll öffentlich aufgebahrt in der Ritterstube der Hofburg, da brachen auch schon in der Umgebung der Hauptstadt Unruhen aus. Viele der einfachen Untertanen betrachteten offenbar die weibliche Thronfolge als illegitim und den Thron als vakant.“ Es zeigte sich schnell, so Stollberg-Rilinger, „dass alle Vorkehrungen Karls VI. zur Sicherung seines Erbes nach seinem Tod nichts mehr wert waren“. Venezianische Gesandte in Wien meinten damals, Maria Theresia habe keinen Rückhalt im Volk, es werde nicht gut für sie ausgehen.
Ältere Kusinen von Maria Theresia waren mit mächtigen Adeligen vermählt, das bayerische Haus Wittelsbach erhob sofort Anspruch auf das habsburgische Erbe. Friedrich II. von Preußen verlangte für die Anerkennung der Pragmatischen Sanktion die Provinz Schlesien und rückte bereits im Dezember 1740 dort ein. Doch die junge Erzherzogin, die 1736 aus Liebe Franz Stephan von Lothringen und nicht, wie es vielen ratsamer erschienen war, einen bayerischen Prinzen geheiratet hatte, wies solche Ansinnen zurück, machte ihren Gatten zum Mitregenten und führte notgedrungen einen jahrelangen Erbfolgekrieg, in den mehrere Länder Europas verwickelt waren.
Im Juni 1741 ließ sich Maria Theresia zum „König von Ungarn“ (Rex Hungariae) krönen – der Begriff Königin war noch nicht vorgesehen. Ihr mit Tränen verbundener Appell an die ungarischen Magnaten, sie als Herrscherin und Mutter zu unterstützen, stieß nicht nur, aber vorwiegend auf positive Resonanz. Dass sie dabei den kleinen Thronfolger auf dem Arm hielt, wie es sogar bildlich überliefert ist, gilt heute als Legende.
Trotz der ungarischen Hilfe sah die Lage für Maria Theresia fast hoffnungslos aus. Ihr Gegner Karl Albrecht von Bayern wurde zum Kaiser gewählt, er konnte aber nur von Frankfurt aus regieren, weil es den Österreichern gelang, München zu besetzen.
Maria Theresia behauptete sich und erreichte, dass nach Karl Albrechts Tod 1745 ihr Mann Franz Stephan zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gewählt wurde. Der Frieden von Aachen stellte 1748 weitgehend die Verhältnisse wie beim Tod Karls VI. her – Schlesien fiel allerdings an Preußen. Dabei blieb es auch nach dem Siebenjährigen Krieg (1756 bis 1763), von dem sich Maria Theresia die Rückgewinnung Schlesiens erhofft hatte, im Frieden von Hubertusburg und Paris.
Obwohl sich Maria Theresia nie zur Kaiserin krönen ließ, wird ihr Name stets mit diesem Titel verbunden. Die habsburgischen Länder – das Kaiserreich Österreich gab es aber erst ab 1804 – regierte sie bis zu ihrem Tod am 29. November 1780. Nach dem Tod ihres geliebten Mannes Franz Stephan im Jahr 1765 trug sie nur noch Witwentracht. Für die Toleranzideen ihres liberalen Sohnes Joseph, der seinem Vater als Kaiser des Reiches folgte, hatte Maria Theresia, zu deren Schattenseiten die Vertreibung von Juden und Protestanten gehörte, kein Verständnis. Ihre Sittenstrenge ließ sie 1752 eine eigene Keuschheitskommission einrichten, ihr ausgeprägter Katholizismus hielt sie aber nicht davon ab, ihre Kinder vor allzu viel Romhörigkeit zu warnen.
Wer sich über sie und ihre Epoche umfassend informieren will, hat heuer in Wien und Umgebung bei mehreren Ausstellungen dazu Gelegenheit. Die Österreichische Nationalbibliothek zeigt in ihrem Prunksaal bis 5. Juni sehenswerte Schriftstücke aus ihren Beständen, darunter das mittels Crowdfunding restaurierte Erbhuldigungswerk von 1740, das aus konservatorischen Gründen aber nur von 4. bis 23. April ausgestellt wurde. Im Stift Klosterneuburg nahe Wien sind sakrale Kunstwerke ihrer Epoche zu sehen. Das Münzkabinett im Wiener Kunsthistorischen Museum präsentiert die Medaillen Maria Theresias. Weithin bekannt ist der Maria-Theresien-Taler, der noch heute in Teilen Afrikas als Zahlungsmittel Verwendung findet.
Die größte Schau verteilt sich auf vier Orte, darunter das Hofmobiliendepot in Wien-Neubau, wo Werner Telesko, der Direktor des Instituts für kunst- und musikhistorische Forschungen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, als Kurator agiert hat. Zu den Highlights der dortigen Präsentation „Familie und Vermächtnis“ zählt Telesko die Pastellportraits von Maria Theresia und ihren Kindern von Jean-Étienne Liotard, sowie exquisite Skulpturen, unter anderem Maria Antoinette darstellend, und archivalische Zeugnisse wie etwa zahlreiche Briefe Maria Theresias an ihre Kinder. Ein Blickfang ist ein 2,8 Kilogramm schwerer Blumenstrauß aus Edelsteinen – 2102 Diamanten und 761 Farbsteinen – aus dem Wiener Naturhistorischen Museum, mit dem Maria Theresia 1760 ihrem Mann Franz Stephan zum Namenstag eine Überraschung bereitete.
Telesko verweist auf die große Vielfalt der hier ausgestellten Objekte, die von Gemälden und Skulpturen, Kupferstichen und Karikaturen bis zu Filmen, etwa dem berühmten Maria-Theresia-Streifen mit Paula Wessely aus dem Jahr 1951, reicht. Denn man wollte auch das Nachwirken Maria Theresias darstellen, die wie niemand sonst aus dem Haus Habsburg(-Lothringen), höchstens noch der Langzeit-Kaiser Franz Joseph I., über Jahrhunderte im Gedächtnis des Landes präsent geblieben ist.
Zwei weitere Schauplätze der Großausstellung liegen im Marchfeld östlich von Wien. Schloss Hof legt unter dem Titel „Bündnisse und Feindschaften“ den Schwerpunkt auf die Außenpolitik. „Solange Maria Theresia Kriege geführt hat, wurden Gebiete verloren, durch Diplomatie wurden Gebiete gewonnen“, stellt der der dortige Kurator, der Wiener Historiker Karl Vocelka, pointiert fest. So kam noch 1779, ein Jahr vor Maria Theresias Tod, das Innviertel von Bayern zu Oberösterreich.
Schloss Niederweiden widmet sich dem Thema „Modernisierung und Reformen“, bei dem unter anderen ihr niederländischer Leibarzt Gerard van Swieten eine wichtige Rolle spielte. Nicht nur das Schulwesen und die Wissenschaften wurden reformiert, auch die militärische Ausbildung und die Zensur. Auf Drängen von Joseph von Sonnenfels kam es zur Abschaffung der Tortur, also der Folter.
Weniger politisch geht es in der Wagenburg des Schlosses Schönbrunn in Wien zu, die „Frauenpower und Lebenslust“ in den Mittelpunkt stellt, prächtige Kutschen und Schlitten und dazu eine Maria Theresia, die dem Reiten, Tanzen und Kartenspiel zugeneigt war. „Spektakel müssen sein“, hieß es von Maria Theresia, in deren Epoche auch die Eröffnung des Wiener Hoftheaters nächst der Burg, des heutigen Burgtheaters, im Jahr 1776 fiel. Telesko ist überzeugt: „Hätte ihr Vater die Erbfolge anders geregelt, wäre aus dieser Frau sicher nicht diese Frontfrau, sondern etwas ganz anderes geworden, eine lebenslustige Erzherzogin, die gerne Karten gespielt, getanzt und sich des Lebens erfreut hat.“
Ihren Kindern war Maria Theresia aber eine strenge Mutter. Während sie selbst eine Liebesheirat mit Franz Stephan einging, gestand sie nur ihrer Lieblingstochter Marie Christine auch eine solche zu. Alle anderen Töchter mussten ihre Ehen nach politischer Zweckmäßigkeit eingehen. Am bekanntesten ist das Schicksal von Maria Antonia, die den späteren französischen König Ludwig XVI. heiratete und in der Französischen Revolution der Guillotine zum Opfer fiel. Das musste Maria Theresia, die man auch die „Schwiegermutter Europas“ nannte, nicht mehr erleben. Ein aus heutiger Sicht negativer Zug an ihr war, dass sie sich ständig in das Leben ihrer Kinder, auch der längst erwachsenen und verheirateten, einmischte – mit Ratschlägen, aber oft auch Vorwürfen.
Was Maria Theresia als Politikerin auszeichnete, war ihr Blick für notwendige Reformen, zu denen 1774 die Einführung der Unterrichtspflicht gehörte. und für gute Berater. Werner Telesko betont: „Ihre Leistung ist, die Masterminds erkannt und sie an den richtigen Stellen eingesetzt zu haben.“ Sie vertraute Diplomaten wie Johann Christoph von Bartenstein und Wenzel Anton von Kaunitz oder Militärs wie Leopold Joseph von Daun, Gideon Ernst von Laudon und Johann Joseph von Khevenhüller.
„Sie ist mit ihren Aufgaben gewachsen“, betont der Experte. Unter den wenigen großen Monarchinnen besitze Maria Theresia durch ihre passioniert gelebte Rolle als Mutter von 16 Kindern eine Sonderstellung: „Sie hat die Mutterrolle in die Politik hineingetragen, sie hat sich auch als erste Mutter ihrer Länder bezeichnet.“
Beim Pressegespräch zu den Jubiläumsausstellungen sprach die Kuratorin Elfriede Iby von Maria Theresia als einer „hard working mum“. In ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter unterschied sie sich tatsächlich deutlich von anderen Herrscherinnen ihrer Zeit, etwa den russischen Zarinnen, die eher zur Promiskuität neigten als zu einem glücklichen Eheleben mit Kindern. Am ehesten wäre Maria Theresia noch mit der ein Jahrhundert später regierenden Queen Victoria von England vergleichbar.
Genderdiskussionen von heute sind jedenfalls nichts völlig Neues. Werner Telesko wünscht sich, dass das Jubiläum nicht nur das Basiswissen über Maria Theresia merklich erhöht, sondern auch eine grundsätzliche Frage bewusst macht, „die auch uns heute in irgendeiner Form bewegt: Was bedeutet eigentlich weibliche Politik in einer historisch sehr krisenhaften Zeit? Welche Möglichkeiten hat dabei eine Frau, welche Mechanismen, welche Strategien setzt sie ein? Da kann man, glaube ich, von Maria Theresia sehr viel lernen.“

Die Ausstellungen in Wien und Umgebung

300 Jahre Maria Theresia
Strategin, Mutter, Reformerin
15. März bis 29. November 2017
Ausstellung an vier Orten: Schloss Hof, Schloss Niederweiden, Hofmobiliendepot/Möbel Museum Wien, Kaiserliche Wagenburg Wien, veranstaltet von der Schloss Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H.

Maria Theresia
Habsburgs mächtigste Frau
17. Februar bis 5. Juni 2017
Österreichische Nationalbibliothek Wien

Zuhanden Ihrer Majestät
Medaillen Maria Theresias
28. März 2017 bis 18. Februar 2018
Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums Wien

Kirche, Kloster, Kaiserin
Maria Theresia und das sakrale Österreich
4. März bis 15. November 2017
Stift Klosterneuburg

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