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Allerorten Luther und die Reformation

Der Hammerschlag eines Wutchristen

Zahlreiche Ausstellungen erinnern an Martin Luther und den Beginn der Reformation vor 500 Jahren

„Ein Hammerschlag …“ lautet der Titel einer aktuellen Ausstellung im Museum für Geschichte des Grazer Museums Joanneum. Es geht um den 31. Oktober 1517, an dem der Augustinermönch Martin Luther mit der Veröffentlichung von 95 Thesen die Reformation eingeleitet hat. Die bevorstehende 500. Wiederkehr dieses Tages, den evangelische Christen alljährlich als Reformationsfest begehen, ist Anlass für viele Gedenkveranstaltungen und vor allem auch Ausstellungen. Einen Überblick über das gesamte Österreich-Programm liefert die Internet-Seite www.evangelisch-sein.at.
Manche Historiker halten es für eine Legende, andere heute wieder für glaubwürdig, dass Luther seine massive Kritik am Papsttum und an den kirchlichen Praktiken seiner Zeit wirklich eigenhändig ans Tor der Schlosskirche zu Wittenberg in Sachsen-Anhalt geschlagen hat. Die Grazer Ausstellung präsentiert den Thesenanschlag auf einem Gemälde von Ferdinand Pauwels aus dem Jahr 1872 und macht die weit reichenden Folgen dieses „Hammerschlags“ sichtbar. Historisch gesichert ist, dass Luther damals die Thesen einem Brief an den Erzbischof von Mainz, Albrecht Kardinal von Brandenburg, beilegte und als gedrucktes Plakat verbreiten ließ. Der Brief und ein solches Plakat sind in der Nationalen Sonderausstellung „Luther! 95 Schätze – 95 Menschen“ (so viele von Luthers Lehre geprägte Personen werden darin vorgestellt) in der Lutherstadt Wittenberg zu sehen.
Martin Luther kam am 10. November 1483 in Eisleben als Martin Luder zur Welt. 1505 trat er in Erfurt in den Orden der Augustiner-Eremiten ein. Seine Eindrücke auf einer Romreise (1510/1511) ließen ihn zum scharfen Kritiker des Papsttums werden. Um das Jahr 1515 – der Legende nach durch ein „Turmerlebnis“ in seinem Studierzimmer – festigte sich in ihm die Einsicht, dass nicht gute Werke, sondern nur Christus und der Glaube an Gottes Barmherzigkeit den Menschen beim Jüngsten Gericht rechtfertigen können. Angesichts der Ablass-Praktiken seiner Zeit, denen zufolge man sich durch Geldspenden – insbesondere für den Bau des Petersdoms in Rom – von seinen Sünden freikaufen konnte, wurde Luther zum Wutchristen.
In Rom leitete man Sanktionen gegen den aufmüpfigen Mönch ein, den jedoch sein Landesherr, Kurfürst Friedrich der Weise, unterstützte. Luther verteidigte sich 1521 auf dem Reichstag zu Worms, wobei – zumindest in ähnlicher Form – der legendäre Satz fiel: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen.“ Auf diesen Satz bezieht sich der Titel einer Ausstellung im Vorarlberger Landesmuseum zu 500 Jahre Reformation.
Der Rest ist Geschichte. Luther zog sich unter dem Schutz Friedrichs des Weisen auf die Wartburg zurück, übersetzte die Bibel ins Deutsche und heiratete die ehemalige Nonne Katharina von Bora. 1530 kam es zum Augsburger Bekenntnis („Confessio Augustana“) der Protestanten, deren Zahl rasch zunahm. Als Martin Luther am 18. Februar 1546 in Eisleben starb, war das Land längst in Katholiken und Protestanten gespalten. 1555 wurde der „Augsburger Religionsfrieden“ geschlossen, der die Existenz beider Konfessionen vorsah – der jeweilige Landesherr bestimmte den Glauben seiner Untertanen. Die katastrophalste Folge dieser Spaltung war wohl im 17. Jahrhundert der Dreißigjährige Krieg. Heute, vor allem seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965), sind die christlichen Konfessionen unter dem Begriff Ökumene um Versöhnung und die Klärung theologisch strittiger Fragen bemüht.
Zwar ist die große Schau „Brennen für den Glauben. Wien nach Luther“ im Wien Museum schon im Mai zu Ende gegangen, aber an weiteren Ausstellungen in Österreich ist kein Mangel. Dabei wird oft die Lebendigkeit des evangelischen Christentums in einer bestimmten Region gezeigt, etwa in der Schau „Ein Christenherz auf Rosen geht …“ im Burgenländischen Landesmuseum in Eisenstadt oder im Überblick über „500 Jahre Reformation in Villach“ sowie in der historischen Ausstellung „Das evangelische Jahrhundert in Steyr 1525-1625“ in den jeweiligen Stadtmuseen. Die Ausstellung „Freyheit durch Bildung“ auf der Schallaburg bei Melk ruft die im 16. Jahrhundert mit einem reformpädagogischen Konzept gegründete „Hohe Schule“ zu Loosdorf in Erinnerung.
Zu den Highlights in Wien zählen „evangelische Interventionen“ im Volkskundemuseum, darunter eine kürzlich restaurierte „Hauspostille von Martin Luther“ aus der Zeit um 1600. Den Bogen vom Mittelalter bis ins Jahr 2017 spannt die – auch selbstkritische – Ausstellung „500 Jahre Reformation – Evangelisch-lutherischer Glaube in Wien“ im Bezirksmuseum Innere Stadt. In der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums kann ein Zeitzeuge der Reformation bewundert werden, der um 1540 entstandene „Mömpelgarder Altar“ des Renaissancemalers Heinrich Füllmaurer. Der dreiflügelige Altar mit der Darstellung von 157 biblischen Szenen – darüber stehen Verse aus der Luther-Bibel in Sprechblasen-ähnlichen Textfeldern – kam nach der Schlacht von Nördlingen 1634 aus Stuttgart nach Wien, eine „Beute“ des verheerenden Dreißigjährigen Krieges.

Die wichtigsten Ausstellungen im Überblick:

500 Jahre Reformation – Evangelisch-lutherischer Glaube in Wien
Bis 31. Oktober Bezirksmuseum Wien Innere Stadt

„Ein Christenherz auf Rosen geht …“
Bis 12.11.2017 Burgenländisches Landesmuseum Eisenstadt

500 Jahre Reformation in Villach
Bis 31.10.2017 Museum der Stadt Villach

Freyheit durch Bildung
Bis 5.11.2017 Schallaburg

Das evangelische Jahrhundert in Steyr 1525-1625
Bis 5.11.2017 Stadtmuseum Steyr

„Ein Hammerschlag …“
Bis 7.1.2018 Universalmuseum Joanneum Graz

„Hier stehe ich …“
Bis 31.10.2017 Vorarlberger Landesmuseum Bregenz

„Luther! 95 Schätze – 95 Menschen“
Bis 5.11.2017 Augusteum Lutherstadt Wittenberg

Kategorie: Allgemein, Feature, Texte

von

Dr. Heiner Boberski

geb. 1950, Studium der Theaterwissenschaft und Anglistik in Wien; 1978–2001 Redakteur der Wochenzeitung "Die Furche", ab 1995 deren Chefredakteur; 2004-2015 Journalist bei der "Wiener Zeitung"; derzeit freier Journalist. Autor mehrerer Sachbücher, vorwiegend zu Fragen der Religion. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

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